Heterogene Lerngruppen und individualisiertes Lernen

Das Grundprinzip der Gemeinschaftsschule besteht in der vollständigen Zusammenführung bisheriger Schularten zu einer einzigen Schule des gemeinsamen Lernens. Damit findet in einer Gemeinschaftsschule keine Trennung in leistungshomogenen Gruppen statt, wie z.B. in Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, wo die Kinder in den Hauptfächern je nach Leistungsstand getrennt unterrichtet werden. SchülerInnen einer baden-württembergischen Gemeinschaftsschule werden vom ersten bis zum letzten Tag ihrer Schullaufbahn in durchweg gemischten (leistungsheterogenen) Gruppen unterrichtet. Dabei soll in unterschiedlichen Fächern eine neue Durchmischung stattfinden, da nur wenige Kinder in allen Fächern (z.B. Mathe und Deutsch) gleich leistungsstark sind. Diese heterogenen Gruppen sollen es den Kindern ermöglichen, voneinander zu lernen. So könne jede(r) SchülerIn ihre/seine individuellen Fähigkeiten und Begabungen bestmöglich einbringen. Dabei soll jeder Schülerin und jedem Schüler die Chance gegeben werden, ihr/sein persönliches motorisches, intellektuelles, emotionales und soziales Potential individuell in Ausmaß und Tempo zu entwickeln und dabei durch geeignete Maßnahmen unterstützt zu werden. Baden-Württemberg schließt damit als einziges Bundesland für diese integrierte Schulart eine (äußere) Differenzierung nach Leistungsgruppen oder nach angestrebtem Bildungsabschluss aus.

Einwände dagegen

Aus zweierlei Gründen erscheint die Argumentation wunderlich:

  1. Es gibt keine Erkenntnis dahingehend, dass Heterogenität zu besseren Ergebnissen für irgendwen sorgt – aus diesem Grund wird sie auch im allgemeinen nicht verwendet.
  2. Eine gewisse Differenzierung im Rahmen von Projekten und Gruppenarbeiten ist auch heutigen Unterrichtsmethoden nicht fremd.

Zum ersten Punkt: Jede Volkshochschule bietet Fremdsprachenkurse differenziert nach Ausgansniveau (Kurse für Anfänger, Fortgeschrittene I, Fortgeschrittene II) an. Ähnlich sieht es auch bei Instrumentalunterricht in Musik (z. B. Gitarrenkurse) aus. Hintergrund dieser Einteilung ist es, dem Stand des Lernenden entsprechend das Vorankommen zu fördern, um individuell bessere Ergebnisse zu erzielen. Auch im Fußball trainieren die Vereine auf dem Land und die Nationalmannschaft nicht zusammen. Und wenn Heterogenität so hilfreich ist – wo endet sie? Profitieren Erstklässler nicht enorm viel davon, wenn sie gemeinsam in einem Raum im gleichen Fach unterrichtet werden, wie dies auch bei Abiturienten erfolgt? Oder gibt es ein seriöses Maß, das die richtige Dosis Heterogenität festhält?

Wissenschaftlich ausgedrückt heißt es, dass schwache Schüler von heterogenen Gruppen profitieren können, wenngleich um den Preis einer höheren psychosozialen Belastung, während diese Gruppen für lernstarke Schüler zu durchwachsenen Ergebnissen führen (Prof. Dr. Bohl: Evaluation der lokalen Schul- und Bildungslandschaft der Stadt Esslingen, Zwischenbericht 1, Januar 2013).

Die Waldorfschulen, die ähnlich wie die Gemeinschaftsschulen nach dem Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens arbeiten und jahrelange Erfahrung in diesem Bereich haben, unterrichten zumindest in der Sekundarstufe II ihre SchülerInnen auch in leistungshomogenen Gruppen! Wieso nicht von ihnen lernen?

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